Unglaublich dass ich nun schon ein Jahr diesen spannenden Weg des freien Lernens gehe. Ich möchte mich zurückbesinnen auf alles was ich erleben durfte und feiern was in mir herangewachsen ist.
Vor einem guten Jahr hatte ich vor eine Zimmererlehre zu machen, mit der Intention damit im ökologischen Bauen tätig zu sein. Nach einem Praktikum in einer scheinbar ökologisch ausgerichteten Zimmerei war ich sehr enttäuscht über das wahre Innenleben des Betriebs. Weder der zwischenmenschliche Umgang noch die verwendeten Materialien entsprachen meiner Vorstellung von einer gesunden oder menschengerechten Natur.
Zum Glück stolperte ich zur gleichen Zeit über das Buch “Ownhome” von Klemens Jakob und kein Weg führte daran vorbei, mir dieses magische Häuschen beim “Autarkie Seminar” in echt anzuschauen. Als Klemens von der Idee der “Solidarischen Bauwirtschaft” erzählte, wurde es mir ganz warm ums Herz und ich wusste: Da will ich mitmachen!
Zwei Tage später rief mich Klemens an und fragte, ob ich Lust hätte dabei mitzuhelfen ein Bestands-Wohn-Haus mit einer PV-Anlage stromautark zu machen. Und so konnte ich meine ersten praktischen Erfahrungen mit der Installation von Solarmodulen auf einem Ziegeldach machen. Kurz darauf ging es weiter mit der Dachdeckung eines Windschiefen Tiny-House Dach mit wunderschönen historischen Bieberschwanz-Ziegeln. Das war mal ein rießen Spass mit stundenlangem “Ziegelschmeißen” in einer Menschenkette.
Das nächste interessante Projekt lief mir über den Weg. Denn eine Woche konnte ich beim Bau von Deutschlands größtem Stampflehmgebäude, einer modernen Lagerhalle vom Naturkosmetik Hersteller Weleda, meine ersten Erfahrungen mit Stampflehm sammeln.
Nach weiteren 2 Wochen Praktikum in einer weiteren “Ökologischen” und sogar genossenschaftlich organisierten Zimmerei, half ich mit ein altes Dach zu sanieren und es wurde mir noch einmal klarer, dass ein klassischer Ausbildungsweg gerade nicht zu mir passt.
Als ich Mitgliedern der Solidarischen Bauwirtschaft (SoBaWi) von meinen Erlebnissen erzählte, entstand die grandiose Idee der “freien handwerklichen Ausbildung”. Im Herzen wusste ich sofort, dass dies ein Weg werden könnte, der mein Wesen auf vielen Ebenen nährt und bereichert. Nach dem legendären ersten großen SoBaWi-Treffen, in dem mich viele weitere Menschen zu diesem Weg ermutigten, war ich mir absolut sicher, das ist mein Weg.
Kurze Zeit später nahm ich an einem Seminar zum Bau einer Home-Biogas-Anlage teil und lernte wie fanszinierend einfach es ist, mit simplen Materialien, seine eigene Gasfabrik zu bauen.
Über 4 Wochen verbrachte ich mit einem Zimmerer-Meister damit, einen mit massiven Wasserschäden, nicht mehr nutzbaren Wintergarten, von Grund auf zu sanieren. Dabei konnte ich viel spannendes über Bauschäden, Holzbau und Glasbau lernen.
Als nächstes half ich mit, ein altes Industriegebäude in einen Wohnraum zu verwandeln, wobei mir das Mauern mit Porenbeton Steinen näher gebracht wurde.
Es folgte ein Monat in dem ich auf keiner Baustelle war. Was mich innerlich etwas bedrückte und verunsicherte. Ich lernte, dass mir nicht alles zugetragen wird, sondern dass ich manchmal selbst nach Möglichkeiten suchen muss oder nach Baustellen Ausschau halten kann.
Weiter ging es mit der Deckenverkleidung des wunderhübschen “windschiefen” Tiny-House mit Nut und Feder Brettern.
An den Fensterbänken, aus einem kräftig leuchtenden Stück Douglasie, konnten wir von Hand mit dem Ziehmesser wundervolle organische Formen entstehen lassen.
Dannach ging es ans passgenaue herstellen der Fensterleibungen aus einer Dreischichtplatte.
Zufälligerweise hatte ich auch das Privileg an einem Seminar über die Baumkommunikation teilzunehmen, und fühle mich seither tiefer verbunden mit dem Wesen des Baumes und dem Holz mit dem ich arbeite.
Endlich hatte ich die Möglichkeit die Kunst des Verputzen mit Lehm kennenzulernen. Ich hatte das Glück alle Arbeitschritte von der Vorbereitung mit dem Putzträger aus Schilfrohr, zum Grundputz, über die Armierungsschicht bis hin zum Feinputz mit meinen eigenen Händen zu erfahren.
Inklusive Wellness-Paket mit Gesichtsmaske aus Lehm. 🙂
Es ging gleich weiter mit dem Verlegen eines gemütlichen Holzbodens. Neben viel Spass bei der Arbeit, lernte ich; dass beim Bodenverlegen einige wichtige Dinge beachtet werden müssen.
Der Einbau einer Dachboden-Treppe ist zwar eigentlich recht simpel, aber beim ersten Mal doch ziemlich spannend.
Danach konnte ich eine tolle Boden-Deckel-Fassade aus Douglasie mitgestalten und lernte soviel über Holz-Fassaden und die natürlichen Eigenschaften von Holz kennen.
Einen wertvollen Einbilck in das Planen, Ablängen, Verlegen und Verpressen von Mehrschicht-Verbund-Wasserleitungen bekam ich glücklicherweise auch, was mein Interesse am autarken Wassersystem wachsen ließ.
Ich entdeckte, wie sehr ich Spass daran habe, Trocken-Trenn-Toiletten aus Holz zu bauen und durch das Benutzen der TTT zum hochqualitativen Bio-Düngemittel Produzent zu werden. 😀
Durch einen netten Dachdecker konnte ich beim Decken eines kompletten Dachs sehr viel lernen. Mit allen Details wie: Bleche und Dachrinnen montieren, PV-Unterkonstruktion, Anschluss an ein Bestandsdach, Abdichtung vom Kamin, Anschlussdetail zu Dachflächenfenstern, sowie Sturmklammern richtig setzen.
Im Anschluss half ich mit, die PV-Module zu installieren und sicher zu verkabeln.
Es folgte die interessante Erfahrung: das Setzten von Regenwasserzisternen und das Verlegen von Erdrohren in der Vorbereitung für eine autarke Wasserversorgung mit Pflanzenkläranlage.
In den nächsten Wochen lernte ich wie man Hanfkalk auf der Baustelle anmischt, wie Schalungen und Anschlussdetails vorbereitet werden, und wie der Hanfkalk zu einer monolitischen Wand gestampft wird. In dieser Zeit, mit harter körperlichen Arbeit und auch zwischenmenschlichen Reibungen auf der Baustelle, lernte ich zusätzlich sehr wertvolle Lektionen über das Einteilen meiner eigenen Kräfte, über das Setzen von Grenzen und über die Kommunikation von Mensch zu Mensch. Darunter auch viel schmerzliche, aber unbezahlbare Selbsterkentnis darüber, wie ich mich im Inneren noch weiterentwickeln darf.
Das nächste Große Projekt war eine Dachsanierung, mit Sparren-Aufdopplung für bessere Dämmung und der Bau zwei neuer Gauben. Ein sehr guter Zimmerer-Meister und Lehrer konnte mir in dieser Zeit einiges über das Zimmererhandwerk beibringen.
In der Zeit zwischen den Baustellen beschäftigte ich mich intensiv mit der autarken Wasserversorgung mit einer Pflanzenkläranlage und veröffentlichte eine OpenSource Bau-Anleitung, welche in Zukunft Menschen dabei helfen kann sich selbst mit Wasser zu versorgen, sowie die gemeinschaftliche Weiterentwicklung des Systems fördert.
Dannach folgte ein Projekt, bei dem ich mich so richtig kreativ austoben konnte. Wir entwarfen das Design und die spezielle Funktionsweise für eine sehr groß dimensionierte Trocken-Trenn-Toilette für den Wellnessbereich eines Reiter-Ferienhofs. Die Toilette steht auf Schraubfundamenten, bestehend aus handgeschlagenem Mondholz und verfügt über große Behälter, welche mit einem Teleskop-Lader wie eine Kasette herausgezogen werden kann, um entleert zu werden.
Und bei knackiger Urlaubshitze ging es weiter mit der Dämmung einer Fassade mit Holzweichfaserplatten und Zellulose.
Während ich diese Zeilen schreibe sitze ich in meinem kleinen Zuhause, meinem ausgebauten Van, und merke gerade, dass mein handwerklicher Lernweg unbewusst schon früher angefangen hat.
Vor knapp 2 Jahren kaufte ich unwissentlich einen Kastenwagen in sehr schlechtem Zustand und baute mein autarkes Traum-Hüttchen mit Holzküchenofen hinein. Ich hatte eine rießige Freude daran selbstständig zu erlernen wie man mit Photovoltaik, Batteriespeicher und Wechselrichter selbst Strom produzieren kann, wie man sich eine kleine Wasserversorgung mit Wasserfilter und Druckpumpe baut, wie man eine Trocken-Trenn-Toilette geruchsfrei auf kleinstem Raum bauen kann, wie man einen Holz-Küchen-Ofen sicher in einem Fahrzeug verbauen kann, und über die kritische Bauphysik in einem Blechkasten.
Doch erst als der Camper Ausbau fertig war kümmerte ich mich um das Fahrzeug und den schönen Rost. Nachdem ich das erste Mal unter der Hebebühne an 12 Stellen bei Durchrostungen durchgebrochen bin, zerplatzt mein Traum vom Leben auf Rädern, denn ich realisiere, dass mein Fahrzeug für die Schrottpresse reif ist.
Ohne Schweißgerät, Werkstatt und Erfahrung mit Schweißen schien mir es unmöglich mein Auto zu reparieren. Doch eines Tages wagte ich es einfach anzufangen. Ein Mammutprojekt ohne Ende in Sicht. Ein netter Mechaniker in einer Mietwerkstatt machte mir Mut und so schaffte ich es tatsächlich die erste Stelle erfolgreich zu schweißen. Es folgten rund 20 harte Tage unter meinem Auto, bis die “alte Kiste” den TÜV erhielt. Die pure Freude und Erleichterung, so einen Berg von einer Herausforderung gemeistert zu haben.
Durch das Aufschreiben dieses Rückblicks, wird mir selbst noch deutlicher, wie viel wertvolles ich in dieser Zeit lernen konnte, und vorallem welchen tollen Menschen ich in dieser Zeit begegnet bin. Vielen Dank von Herzen an alle meine Wegbegleiter, Lehrer und all den inspirierenden Menschen von der Solidarischen Bauwirtschaft. Ich bin so froh und dankbar, es gewagt zu haben, diesen Weg zu gehen.
Ausblick in die Zukunft:
Ich möchte weiterhin den Weg des freien Lernens gehen. Besonders interessiert mich ein noch ganzheitlicher Naturbau, möglichst ohne industrielle Werkstoffe. Dabei vor allem der Strohballenbau und der Lehmbau.
Auch dem Bau und der Weiterentwicklung der autarken Wasserversorgung möchte ich in Zukunft noch mehr Energie und Zeit widmen.
Im Winter werden wir mit traditionellen Handwerkzeugen Fichten-Mondholz schlagen, welches nach mindestens 3 Jahren Lufttrocknung eines Tages das Bauholz für mein zukünftiges Zuhause werden könnte.
Ich möchte weiterhin andere Menschen dazu ermutigen und beraten, auch die Möglichkeit eines freien Weg des Lernens wahrzunehmen.
Und ich freue mich einfach dermaßen auf jeden neuen Tag des 2. Jahres meiner freien handwerklichen Ausbildung. Hurrahhh und liebe Grüße.
29.08.2023, Johannes Aigner